Warum wir lautere Bibliotheken brauchen

Von Thomas Schwarz
Während in Großstädten über digitale Innovationen und moderne Lernzentren diskutiert wird, kämpfen ländliche Gemeinden oft um die Grundausstattung ihrer Bibliotheken. Dabei ist gerade hier ein starkes Bibliotheksangebot unverzichtbar – als Garant für Bildungsgerechtigkeit, als sozialer Treffpunkt und als kostengünstiger Zugang zu Information und Kultur für alle Bürgerinnen und Bürger. Dafür müssen Bibliotheken im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit lauter werden.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Der Deutsche Bibliotheksverband zeigt in seinem „Bericht zur Lage der Bibliotheken 2022/2023“, dass das Gesamtbudget von Öffentlichen Bibliotheken stagniert beziehungsweise sinkt¹.
Diese Entwicklung trifft ländliche Gemeinden besonders hart, da sie ohnehin mit geringeren finanziellen Ressourcen haushalten müssen. Dabei wird der ökonomische Wert einer gut ausgestatteten Bibliothek oft unterschätzt. Die Bücherpreise in Deutschland sind 2023 gegenüber dem Vorjahr um 5,2 Prozent gestiegen und lagen im November 2024 bereits 2,7 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats². Ein Print-Abo der Zeit kostet 374 Euro im Jahr – eines des Diepholzer Kreisblattes 49,90 Euro im Monat. Wer mehrere Zeitschriften oder Zeitungen liest und regelmäßig Bücher kauft, kommt schnell auf monatliche Ausgaben jenseits der 50 Euro – Geld, das sich viele Familien in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten nicht leisten können oder wollen. Bibliotheksangebote ermöglichen den Zugang zu wertvollen Kulturgütern, die von geschulten Fachkräften sorgfältig kuratiert werden. Zu einem Jahrespreis von 12,- Euro für einen Erwachsenen in der Barnstorfer Bibliothek. Dort, wo solche Angebote fehlen oder nicht in Anspruch genommen werden, nutzt die scheinbar kostenlose Aufmerksamkeitsökonomie sozialer Medien die Gelegenheit, um diese Lücke zu füllen. Mit fatalen Folgen für unsere Kultur, unsere Politik und unsere Gemeinschaft.
Doch warum ist gerade im ländlichen Raum eine gut ausgestattete Bibliothek so wichtig? Die Antwort liegt in der besonderen Funktion, die sie für die Gemeinschaft übernimmt. Wo Buchhandlungen rar sind, Internetverbindungen nicht immer optimal und die nächste Universität weit entfernt ist, wird die örtliche Bibliothek zum zentralen Bildungs- und Begegnungsort.
Für Familien mit Kindern ist sie oft der erste Kontakt zur Welt der Bücher. Für Schülerinnen und Schüler bietet sie Ruhe zum Lernen und Zugang zu Fachliteratur. Für Seniorinnen und Senioren kann sie sozialer Treffpunkt und Tor zur digitalen Welt sein. Und für alle Bürgerinnen und Bürger ist sie ein Ort des kostenlosen Zugangs zu Information, Bildung und Unterhaltung – unabhängig vom Geldbeutel.
Die Barnstorfer Bibliothek zeigt bereits heute, wie moderne Bibliotheksarbeit aussehen kann: Mit 8.000 Medien – von Büchern über DVDs bis hin zu E- Books und Computerspielen – bietet sie ein vielseitiges Angebot. Das neu eingerichtete Lesecafé lädt zum „Zeitunglesen, Kaffeetrinken, gemeinsamen Spielen“ ein, und Kooperationen mit lokalen Akteuren wie dem Seniorenbeirat sorgen für regelmäßige Filmvorführungen. Hier wird bereits gelebt, was eine Bibliothek sein kann: ein offener Treffpunkt für alle Generationen.
Das habe ich selbst erlebt: Durch das Angebot der Bücher-Babies kam ich in Kontakt mit der Bibliothek Barnstorf und war überrascht über das vielfältige Angebot der Onleihe, das ich mittlerweile fast täglich nutze. Doch eine moderne Bibliothek kann nicht darauf warten, dass die Menschen zu ihr kommen – sie muss aktiv auf die Menschen zugehen. Das bedeutet konkret: Bücherkisten in Kindergärten, Vorlesestunden in Grundschulen, mobile Bibliotheksdienste für entlegene Ortsteile. Warum nicht auch Kooperationen mit Vereinen, der Volkshochschule oder lokalen Unternehmen?
Eine Bibliothek, die sich als Partner für Bildung und Kultur versteht, findet unzählige Möglichkeiten, ihre Angebote direkt zu den Menschen zu bringen. In einer Samtgemeinde wie Barnstorf mit ihren verschiedenen Ortsteilen ist dieser Ansatz besonders wichtig. Nicht jeder kann oder will regelmäßig zur zentralen Bibliothek fahren. Aber jeder sollte die Chance haben, von einem qualitativ hochwertigen Bibliotheksangebot zu profitieren – sei es durch Kooperationen mit Schulen und Kitas, durch Büchertische bei Dorffesten oder durch digitale Angebote wie die Onleihe, die auch zu Hause genutzt werden können.
Die Samtgemeinde Barnstorf steht also vor einer wichtigen Weichenstellung: Nicht nur darf die Bibliothek als bloßes ‚nice to have‘ betrachtet werden, das bei knappen Kassen schnell zur Disposition steht – vielmehr sollten wir alle gemeinsam daran arbeiten, dieses Angebot weiter zu fördern, es an die Anforderungen und Bedürfnisse der Menschen in der Samtgemeinde anzupassen und es stärker bekannt zu machen, damit es von noch mehr Menschen genutzt werden kann. So bleibt die Bibliothek eine Investition in die Zukunft: in Bildung, Zusammenhalt und Lebensqualität.
Die Entscheidung liegt bei uns allen. Eine laute Bibliothek ist eine, deren Angebot Präsenz zeigt – für Bildung, Gemeinschaft und Kultur – und die in jede Ecke der Gemeinde dringt. Nicht jeder muss dabei Flyer verteilen oder Stände aufbauen. 1,- Euro im Monat und eine Empfehlung im Freundeskreis ist schon mal ein Anfang.
Quellen:
¹ Deutscher Bibliotheksverband: „Bericht zur Lage der Bibliotheken 2022/2023“ URL:https://www.bibliotheksverband.de/sites/default/files/202210Bericht%20zur%20Lage%20der%20Bibliotheken_2022-23_web.pdf
² Börsenblatt (2024): „So legten die Bücherpreise 2023 zu“ – Basierend auf Daten des Statistischen Bundesamts URL: https://www.boersenblatt.net/news/so-legten-die-buecherpreise-2023-zu-315719

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